Kürzlich las ich eine merkwürdige Geschichte. Eine Person behauptete zufrieden und glücklich zu sein, weil sie in diesem Jahr den Geburtstag ganz allein und ohne Zwänge begehen durfte. Ein Teil der Familie hatte wohl den Geburtstag verschlafen, der andere Teil war gar nicht erst in der Stadt. Früh am Morgen beschloss die Person, sich einen ganzen Tag zu schenken. So kaufte sie sich ganz allein einen riesigen Blumenstrauß und ihre Lieblingspralinen und war zufrieden und dankbar, sie selbst sein zu dürfen…!

Mit jedem Satz, den ich mehr las, beschlich mich das unwohle Gefühl, hier eine unendlich gekränkte und unglückliche Person vor mir zu haben. Mit jedem noch so positiven Satzt schnürte es mir mehr die Kehle zu. Ich wäre am liebsten aufgesprungen und hätte sie in den Arm genommen, so traurig fand ich dieses Statement für die Einsamkeit. Eigentlich hätte es mir egal sein können, doch irgendwie ließ mich diese Geschichte nicht mehr los und ich dachte darüber nach.

Klar, ein bisschen Zeit für sich zu haben ist in der heutigen Zeit tatsächlich Luxus. Und wenn man dann obendrein die Gabe hat, dass man diese Zeit auch sinnvoll mit sich selbst füllen kann, ist das was Tolles. Dennoch muß das doch nicht ausgerechnet am Geburtstag sein oder? Ich zumindest wäre sehr traurig, wenn meine liebsten Menschen meinen Geburtstag vergäßen. Von Glück und Zufriedenheit wäre bei mir da keine Spur.

– Das ist natürlich meine Meinung –

…doch was mich erstaunte war, mit welchem Nachdruck immer wieder darauf hingewiesen wurde, wie dankbar man sei, man selbt sein zu dürfen. Man brauche niemanden ausser sich selbst und fände so die innere Zudfriedenheit!

Wie bitte???

Stehe ich hier auf den Schlauch oder habe ich was falsch verstanden? Den vergessenen Ehrentag als Gradmesser für die innere und eigene Zufriedenheit zu nehmen, das ist mir zu hoch!?

Bestimmt kann man in Zeiten einer tiefen Enttäuschung sehen, wie stark man ist und wieviel Ballast man auf seine Schultern laden kann, ohne direkt darunter zusammenzubrechen, doch dieses Konstrukt scheint mir auf ziemlich wackeligen Füßen zu stehen. Für mich hörte sich das Ganze eher wie ein Hilfeschrei an. Ich wollte zuerst nachfragen, weiß aber dass diese Person keine Anfragen dieser Art zulässt. Also ließ ich es gleich und sprach mit einer Freundin darüber, die ebenfalls irritiert reagierte.

Wir waren uns einig: Wir zumindest wären sehr traurig und verletzt, wenn unsere allerliebsten Menschen nicht an uns gedacht hätten. Und wir wären auch beleibe weder glücklich noch zufrieden mit dieser Situation. Irgendwie ließ mich die Frage nach Glück und Zufriedenheit nicht los.

Was ist Glück und was ist Zufriedenheit?

Kann man diese Beiden überhaupt voneinander trennen oder gehen sie immer Hand in Hand?

Um zufrieden zu sein, braucht es schon eine Menge Glück. Man braucht dafür ein gesundes Umfeld, sowohl körperlich als auch seelisch. Man braucht Menschen um sich herum, die einen ehrlich reflektieren und mit denen man reden kann, im Vertrauen sowie in guten und in schwierigen Situationen. Man braucht Menschen, die einen stützen und unterstützen, die da sind und die einen inspirieren und manchmal auch kritisieren. Man sollte sich gegenseitig befruchten können und neugierig aufeinander sein, ganz ohne Zwang und Hintergedanken. Und das Mindestmaß an Respekt voreinander sollte niemals unterschritten werden. Wenn man das hat – so glaube ich – ist man glücklich. Zumindest hat man ein sehr solides Grundgerüst für Glück gebaut.

Glück ist nicht messbar. Es gibt nicht viel oder wenig Glück. Glück ist einfach Glück. Es kommt und es geht und es fragt nicht, sondern schlägt einfach zu. Meist völlig unerwartet. Man kann Glück nicht toppen und auch nicht festhalten. Man muß es ergreifen und umarmen, solange es bei einem bleibt.

„Da hast Du aber Glück gehabt!“

Das hört und sagt man häufig.

„Sei zufrieden, dass nicht`s Schlimmeres passiert ist.“ und „Sei zufrieden mit dem, was Du hast!“

In vielen Situationen sind Glück und Zufriedenheit stille Begleiter und oft bemerken wir sie gar nicht.

Doch egal ob im Wald plötzlich ein Reh vor uns steht und scheu in unsere Richtig schaut oder ob ein kleiner unewarteter Gewinn ins Haus flattert, das Kribbeln im Bauch ist gleich atemberaubend. Natürlich ist der Lottogewinn nachhaltiger und bringt uns der finanziellen Zufriedenheit vielleicht ein Stückchen näher. Doch auch das scheue Reh ist ein zarter und seltener Moment und unser Herz klopft ebenfalls wie wild!

Ich glaube, ob man glücklich und zufrieden ist, liegt vor Allem in uns selbst.

Seid Ihr zufrieden?

Ich meine – so richtig aus tiefstem Herzen?

Ganz ohne den kleinen Teufel auf der Schulter, der höher, weiter, besser und größer will?

Ich würde lügen, wenn ich das von mir behaupten würde. Beinahe täglich kommen größere und kleinere Herausforderungen  und Situationen auf mich zu, die mich von einem auf den anderen Moment unzufrieden machen können.

Das sind oft Alltagssituationen, die nicht so geplant waren. Weil es z.B. regnet, obwohl man eigentlich draussen essen wollte, das tolle Buch ausverkauft ist, das man unbedingt haben wollte oder der Kunde vor mir das letzte Stück Käsekuchen gekauft hat, auf das ich mich schon den ganzen Tag gefreut hatte. (Passiert mir übrigens ständig…)

Ich meine hier natürlich nicht Krankheit, Verlust, Einsamkeit und Arbeitslosigkeit. Diese Dinge sind persönliche Tragödien, die uns aus allen Wolken fallen lassen und uns jäh auf das wahre Parkett des Lebens katapultieren. Manchmal sind diese Dinge so riesengroß, dass wir verzweifeln und manchmal daran zerbrechen. Ich kenne diese Gefühle auch nur zu gut. Ich denke Ihr alle kennt sie, wer nicht ist sowieso der glücklichste Mensch der Welt! Herzlichen Glückwunsch!! Doch die Anderen sind sicher an diesen schlimmen Situationen gewachsen, ich hoffe es zumindest für Euch. Ich bin es, meistens jedenfalls.

Doch zurück zu den kleinen Kleinigkeiten die uns scheinbar fehlen, die man glaubt, so unbedingt zu brauchen. Ich gebe zu, diese kleinen und manchmal auch größeren Dinge können einen schon mürbe machen. Manchmal liege ich dann nach einem total verhagelten Tag total erschöpft im Bett und stelle alles in Frage.

In solchen Momenten stelle ich mir vor, wie schön es wäre, wenn…?

Wenn was???

Was müßte eigentlich passieren, damit ich mich so viel besser und zufriedener fühlen könnte als in diesem Moment?

Ist es in diesem Moment nicht eher Selbstmitleid, das einen lenkt? Tut man sich nicht eigentlich selber furchtbar leid und vor allem warum???

Und hier ist der Knackpunkt. Ich bin mir durchaus bewußt, dass jeder von uns seine Baustellen hat. Es wäre vermessen zu behaupten, alles was einen umgibt, machte glücklich. Denn die meisten, wichtigen Dinge hat man oft gar nicht in der Hand und kann sie nur bedingt steuern.

Dennoch sollte man sich immer wieder fragen, was man besitzt und vor allem was man daran hat.

Wenn ich mir vor Augen halte, dass ich einigermaßen gesund bin, dass mein Kind und mein Mann wunderbar sind, wir ein gutes Leben führen, in dem wir bislang fast jeden Stein gemeinsam wegräumen konnten, auch wenn das immer wieder bedeutete, dass man alte Zöpfe abschneiden und neue flechten mußte, so kann ich sagen, ich bin zufrieden. Nein – ich bin sogar sehr zufrieden! Und glücklich!

Auch wenn ich natürlich sofort 10.000 Dinge ändern möchte, …ich habe das Grundgerüst, auf dem meine Zufriedenheit steht. Und dieses Fundament ist das größte Glück, was einem widerfahren kann. Und es muß gepflegt werden. Immer und immer wieder, sonst zerbröckelt es.

Daher ist es wichtig, wenn man sich auf andere stützt und verläßt, immer zu wissen, dass man selber auch ganz viel schaffen und stützen kann. Und man darf ruhig auch ganz doll gekränkt und traurig sein, wenn man an seinem Geburtstag vergessen wurde.

Was meint Ihr?