Als ich noch sehr klein war, lebten wir in einem Hochhaus im 9. Stock. Das war damals sehr innovativ und meine Eltern waren sehr froh, in dieser Trabantenstadt eine Neubauwohnung zu ergattern. Leider war ich zu klein, um im Fahrstuhl an den Knopf mit der 9 zu gelangen. Egal, wie sehr ich mich auch streckte, ich kam einfach nicht ran. Also mußte ich immer auf jemanden warten, der mir mein Stockwerk drückte. Ich durfte nämlich schon sehr früh alleine draußen spielen.  Ja in den 70 iger Jahren war das normal…, dennoch war immer irgendwo irgendeine Mutter von irgendeinem Kind, die uns beaufsichtigte, ohne dass wir es bemerkten.

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Ich hatte viele Freunde. Den Guido, den Holger, den Jörg, den Mattias, den Heiko. Und ich hatte auch Freundinnen. Die Andrea und die Bettina!

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Wir fühlten uns frei und spielten den ganzen Tag im Sandkasten, im Gebüsch und auf der Wiese. Ich besaß einen riesigen Fuhrpark, den mein Opa jedes Jahr im Italienurlaub in Caorle erweiterte. Ich hatte einen Roller, ein Dreirad, Rollschuhe, ein Tretauto, einen Hopseball und ein Fahrrad und meine arme Mutter hatte Mühe, das ganze Zeug im Fahrstuhl zu transporieren. Denn natürlich brauchten wir alle Spielzeuge auf einmal.

Klar, dass man hierfür auch das richtige Styling benötigte. Im Kleidchen mit Rüschenhosen war man für wilde Spiele einfach total falsch angezogen.

Also trug ich Latzhosen. Ich liebte meine Latzhosen. Die hatten so herrlich viele Taschen, in denen man so unglaublich viel versenken konnte. Ich sammelte Steine, Stöckchen, Bonbons, Murmeln, Schneckenhäuser – zum Teil noch bewohnt, Kronkorken, Glasscherben, Federn und Colaeisstiele. Ich war süchtig nach Colaeis, ihr auch?

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Wenn ich abends total verdreckt am Fahrstuhl wieder auf jemanden wartete, der mir die 9 drückte, sprachen mich die Damen auf meinen verkrusteten Colasandmischmasch im Gesicht und auf den Klamotten an.

„Du bist aber dreckig! Was wird da wohl die Mama sagen?“

Ich antwortete kess: „Das macht nichts, meine Mama hat `ne Waschmaschine!“

Da lachten die Damen und ich war höchst zufrieden.

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Bestimmt verfluchte meine Mutter mich heimlich, wenn sie die Sandberge und das klebrige Allerlei aus meinen Hosentaschen fummelte. Aber sie sagte nichts, denn als Kind hatte sie ihrerseits Frösche, Schnecken und Regenwürmer in ihren Schürzentaschen gesammelt. Meine Mutter stopfte meine Klamotten in die Waschmaschine und mich in das Handwaschbecken.

Erinnert ihr Euch noch an das Gefühl, wenn sich auf dem Boden der Badewanne beim Wasserablassen ein kleiner Strand bildet? Ich erinnerte mich schlagartig daran, als mein Sohn dann in dem Alter war. Lustig, wie sich die Dinge wiederholen.

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Latzhosen habe ich übrigens immer wieder gerne getragen, wann immer sie im Trend waren. Doch Colaeis finde ich mittlerweile furchtbar, mein Sohn hingegen liebt es.